Boris' Kaffeetasse
Boris‘ Löffel taucht ein in das Schwarz seines Kaffees. Auf der abgegriffenen Plastiktischdecke erkennt er drei winzige Zuckerbrösel. Boris zählt sie, während er rührt. Eins. Zwei. Drei. Eins. Zwei. Drei. Das hilft. Es hilft, nicht an seine Tochter denken zu müssen. Sie steht kurz vor der Matura und gerade eben musste er ihr sagen, dass sie an der Klassenreise nicht teilnehmen kann.
Seine winzige Pension reicht für gar nichts. Nicht für die Miete, schon gar nicht für Urlaub. Und für all die Dinge, die Boris seiner Tochter gönnen würde, sowieso nicht.
HINTERGRUND
Manchmal bedauert Boris, so spät noch Vater geworden zu sein. Und dann wieder schämt er sich dafür, dass er solche Gedanken hat. Sie kommen, wenn ihm die Kündigung der Wohnung angedroht wird. Sie kommen, wenn seine Tochter ein Kleid für den Maturaball braucht und seine geschiedene Frau meint, er sei dafür zuständig. Sie kommen, wenn die Waschmaschine streikt oder jedes andere technische Gerät im Haushalt.
Dabei liebt er sein Kind. Der ehemalige Arbeiter und nun Mindestpensionsbezieher würde gerne ins Theater mit ihr gehen, oder einfach nur ins Zentrum der Bezirkshauptstadt, in der sie wohnen. Um vielleicht einen Kaffee zu trinken.